Geschichte

Konzept[Bearbeiten]


Ansicht vom Rathausturm: das Ihme-Zentrum in Süd-Nord-Ausdehnung, mit dem Bürohochhaus derStadtwerke links der Bildmitte

Lageplan
Das Ihme-Zentrum sollte eines von mehreren hochverdichteten Wohn-, Arbeits- und Einkaufszentren sein, die in den 1960er-Jahren für das Stadtgebiet von Hannover geplant waren. Mit diesen Zentren sollte die Innenstadt entlastet und gleichzeitig zentraler Wohnraum geschaffen werden. Das Ihme-Zentrum war das einzige dieser Zentren, das tatsächlich gebaut wurde.
Konzipiert wurde das Ihme-Zentrum als „Stadt in der Stadt“. Dies sollte andeuten, dass die meisten für das tägliche Leben nötigen Einrichtungen im Zentrum selbst vorhanden sein sollten. Im Süden und Norden von 22-stöckigen Wohnhochhäusern eingerahmt, befinden sich dazwischen zwei fünf- und sechsstöckige Einheiten mit Wohnungen. Eine durchgängige Ladenpassage durchzieht das Ihme-Zentrum. An den äußeren Enden befinden sich größere, mehrstöckige Ladengeschäfte fürAnkermieter, während dazwischen kleinere Ladenlokale dominieren. Eine fast das gesamte Zentrum unterkellernde zweistöckige Tiefgarage stellt eine große Zahl von Parkplätzen bereit. Die Geschossflächenzahl (ein Maß für die Dichte der Bebauung) hat nach Angaben von Hanns Adrian 1997 den Wert 3,8 [1]; gemäß Bebauungsplan 554 vom 25. Mai 1970 sollte es 3,0 sein.
Bauträger war die City-Bau KG aus Leverkusen unter der Führung von Carl Schaetzle. Diese warb schon im August 1969 für Eigentumswohnungen[2] und konnte im April 1971 (also vor Baubeginn) verkünden, dass bereits über 50 % der Wohnungen verkauft seien[3].
Bei der Grundsteinlegung am 11. November 1971 sprach Oberstadtdirektor Martin Neuffer vom Beginn eines „Jahrzehnts der großen Umbauten“ mit Blick auch auf weitere große Bauprojekte am Kröpcke und Raschplatz.[4] Die Konzepte neuer großer Bauformen, wie sie im Herbst 1970 von Rat und Verwaltung der Stadt beschlossen waren, unterlagen jedoch schnell einem Wertewandel, denn schon 1975 war Beton „mega-out“.[5]
Der Stadtplaner Hanns Adrian, der 1975 als Nachfolger von Rudolf Hillebrecht Stadtbaurat in Hannover wurde, hatte vor der Monumentalität des Baus gewarnt: Das Projekt geriet letztendlich achtmal größer als es ursprünglich geplant war, der Ansatz der Urbanität gefiel ihm jedoch. Mit seinem Wechsel zurück nach Hannover erwarb Adrian zusammen mit seiner Frau und Kindern eine Wohnung im Ihme-Zentrum, in der beide auch lebten. Auf die Frage, warum er dort wohne, sagte er: „Der beste Ort zum Wohnen in Hannover, wenn man das Ihme-Zentrum nicht sehen will, ist das Ihme-Zentrum.“[6][7]

Bau[Bearbeiten]


Im Bau, um 1973: zum Fluss gerichtete Gebäude entlang des Ihme-Ufer-Weges
Auf dem Baugrundstück des Ihme-Zentrums befanden sich zuvor die 1837 gegründete Mechanische Weberei, die 1961 ihren Betrieb eingestellt hatte, sowie die Lindener Backpulver- und Brotfabrik. Noch bevor die letzten Werksgebäude 1972 abgerissen wurden, begann im Herbst 1971 der Bau des Ihme-Zentrums.[8]
Der gesamte Komplex wurde in einem Stück gebaut, was es zu einer der umfangreichsten Baustellen mit dem größten gegossenen Betonfundament Europas machte. Bis 1975 entstanden eine Verkaufsfläche von 60.000 m² sowie Wohnflächen von 58.300 m² für etwa 860 Wohnungen (etwa 2.400 Personen) und 8.000 m² für etwa 450 Studenten.
Die Fundamentgründung und die Anordnung der Hochhaustürme im Bereich Ihmeplatz wurden so gestaltet, dass nachträglich ein U-Bahn-Tunnel für die geplante D-Strecke derStadtbahn Hannover unter dem Bauwerk durchgeführt werden kann.

Architektonische Probleme[Bearbeiten]


Fassade entlang der Blumenauer Straße in nordwestlicher Blickrichtung, mit dem 92 m hohen Bürogebäude derStadtwerke am linken Bildrand
Beim Ihme-Zentrum liegen folgende architektonischen Probleme vor:
  • Der Bau ist im Stile des Brutalismus gehalten und an vielen Stellen verwinkelt und unübersichtlich.
  • Die Ladenpassage ist nicht durchgängig überdacht. Die in den 1980er- und 1990er-Jahren ergänzten Dachkonstruktionen konnten das Problem nicht vollständig lösen.
  • Die Nähe zum Ihmeufer wird nicht genutzt: Von der Ladenpassage aus gibt es nur einige zugige Durchgänge auf eine hoch liegende Promenade, die nicht durch eine Bewirtschaftung oder Möblierung aufgewertet wird.
  • Die Hauptverkehrsebene des Ihme-Zentrums liegt eine Etage über Straßenniveau und ist nur an wenigen Stellen über Treppen, Rolltreppen und -bänder oder Fahrstühle erreichbar. Die Fußgängerüberführung der Verkehrskreuzung am Küchengarten wurde nicht ausreichend akzeptiert. Nachdem die Umbaumaßnahmen im Juni 2006 begannen und die Mall dadurch kaum noch ein Geschäft vorwies, wurde die Brücke im Juni 2008 abgerissen. Die Nullebene auf Straßenniveau dient ausschließlich Bewirtschaftung und Anlieferung.

Nutzung[Bearbeiten]


Ladenpassage am Ihmeplatz im Juni 2003
Seit seiner Eröffnung hatte das Ihme-Zentrum mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen. Die Ladenzeilen-Ankermieter der Anfangszeit, Kaufhofim Norden und der Lebensmittelmarkt „mehr Wert“ (später Huma) im Süden, waren nur wenige Jahre vor Ort. Auch der Huma-NachfolgerAllkauf sowie verschiedene Folgemieter konnten sich nicht halten, so dass seit etwa Mitte der 1990er-Jahre die dortige zweigeschossige Verkaufsfläche leersteht. Aus dem Kaufhof-Warenhaus wurde bereits Mitte der 1980er-Jahre eine Filiale der ebenfalls zu der Metro-Gruppe gehörenden Elektrohandelskette Saturn-Hansa. Nach deren Auszug 2004 gab es keinen reichweitenstarken Kundenmagneten im Ihme-Zentrum, was den Niedergang der kleineren Läden (in der Mehrzahl Textil- und Schuhgeschäfte im unteren Preissegment) nochmals beschleunigte.
Die Landeshauptstadt Hannover mietete Ende der 1990er-Jahre im nordwestlichen Teil des Ihme-Zentrums Büroflächen von über 5.000 m². Unter anderem wurde seinerzeit das Hochbauamt der Stadt aus Innenstadtbüros in das Ihme-Zentrum verlegt. 2002 wurden nach Auszug der Norddeutschen Landesbank von der Stadt Hannover weitere Büroflächen (ca. 5000 m²) für städtische Ämter gemietet, in Verbindung mit der Verpflichtung des Vermieters zu einer zügigen Revitalisierung des gesamten Komplexes.
Gegenwärtig (2015) stehen fast alle Ladenlokale leer, weil im Juli 2006 der Umbau der gesamten Einkaufspassage begonnen hat. Einzige publikumsrelevante Mieter sind Ämter der Landeshauptstadt Hannover und die Stadtwerke Hannover (enercity), die zwei Hochhäuser als Verwaltungsgebäude nutzen.

Begonnener Umbau[Bearbeiten]


Bauzustand an der Blumenauer Straße im Jahr 2010

Eigentümer Engel (2000 – 2006)[Bearbeiten]

Im Mai 2000 übernahm der Investor Frank Michael Engel einen Großteil der Ladenflächen. Dieser hatte in der Vergangenheit bereits ähnliche Objekte in Deutschland erfolgreich saniert, darunter das NordWestZentrum in Frankfurt am Main.
Im Ihme-Zentrum konnten jedoch lange Zeit keine neuen Geschäfte, insbesondere keine Ankermieter, gewonnen werden. Nachdem dies im Oktober 2005 endlich gelungen war, begann im Juli 2006 der Bau für eine grundlegende Sanierung, mit der auch die zuvor genannten architektonischen Probleme entschärft werden sollten. Die Fertigstellung der Sanierung war für Anfang 2008 geplant.

Eigentümer Carlyle (2006 – 2009)[Bearbeiten]

Im Juli 2006 wurden die Anteile der Firmengruppe Engel von der amerikanischen Carlyle Group übernommen, die zunächst den Umbau in leicht abgewandelter Form weiterführte. Der geplante Linden-Park war das erste Immobilienentwicklungsprojekt, in das Carlyle mit seinem zweiten Immobilienfonds, Carlyle Europe Real Estate Partners II, in Hannover investierte. Herzstück der Pläne war eine neue, mit viel Glas und hochwertigen Baumaterialien geplante Ladenpassage im Erdgeschoss auf Straßenebene. Auch die Erneuerung der darüber liegenden Passage als Mallwar im Bau. Das Projekt lief unter dem Namen Linden-Park und sollte im 3. Quartal 2009 fertiggestellt werden.[9] Infolge der allgemeinen Krise an den Kapitalmärkten geriet die Muttergesellschaft Carlyle Group unter finanziellen Druck.[10]
Im Januar 2009 kam es zu einem Baustopp als Folge der Nichtbezahlung von Baufirmen. Auf Grund von Brandschutzmängeln wurde der größte Teil der Tiefgarage gesperrt. Am 23. Februar 2009 beantragte der Investor Carlyle für seine am Umbau des Komplexes beteiligten Projektgesellschaften Insolvenz. Die Eigentumsanteile der Carlyle Group wurden daraufhin bis zum Jahr 2015 durch einen Zwangsverwalter verwaltet.

Zwangsverwaltung (2009 – 2015)[Bearbeiten]


Gebäude entlang der Ihme, gesehen vom Glocksee-Park auf Höhe der Ida-Arenhold-Brücke (2014)
Die Landesbank Berlin als Kreditgeber und damit Hauptgläubigerin der insolventen Projektgesellschaften war an einer Lösung für das Bauprojekt interessiert.[11] Die Bank hatte 2010 den US-amerikanischen Bauträger Hines mit einer Konzeptfindung (Vorentwicklung) des Komplexes beauftragt. Außerdem wurde eine Änderung der Teilungserklärung sowie derGemeinschaftsordnung angestrebt mit dem Ziel, die Wohn- und Gewerbebereiche stärker rechtlich voneinander zu trennen, wodurch das Objekt für Investoren interessanter werden sollte. Dafür war die Zustimmung aller 543 Wohnungsbesitzer nötig. Bis Dezember 2011 hatten dem etwa 84 % zugestimmt,[12] die Unterschriftensammlung dazu hatte im Januar 2011 begonnen.[13]; es wurden jedoch die nötigen 100 % nicht erreicht.
Am 5. August 2014 wurde beim Amtsgericht Hannover eine erste Zwangsversteigerung der Carlyle-Anteile des Ihme-Zentrums durchgeführt. Es fand sich kein Käufer, da das geforderte Mindestgebot von knapp 25 Mio. Euro nicht erreicht wurde.[14]

Aktuelle Situation (seit 2015)[Bearbeiten]


Nach Angaben der Tagespresse ist die Stadt Hannover einer der größten Büromieter im Ihme-Zentrum (hier: Haus Spinnereistraße Nr. 1).
Am 25. Februar 2015 fand ein weiterer Versteigerungstermin am Amtsgericht Hannover statt. Die Carlyle-Anteile wurden dabei für 16,5 Millionen Euro an die Projekt Steglitzer Kreisel Berlin Grundstücks-GmbH verkauft.[15][16] Die Tagespresse nannte ebenso den Namen der Firma Intown, hinter der israelische Investoren stünden.[17][18]
Im Dezember 2015 wurde bekannt, dass der Investor eine neue, einheitliche Fassadenverkleidung anbringen möchte.[17] Die Außenwände sollen mit Dämmplatten versehen werden, um so Lücken zu schließen. Im Entwurf seien nur vereinzelt Fenster vorgesehen. In dem Bereich, der für Supermärkte gedacht sei, werde es keine Öffnungen geben.[17] Im Januar berichtete die Tagespresse darüber, der Verwalter habe mehrere Handelsunternehmen gewinnen können, die leerstehende Gewerbeflächen mieten wollen, darunter die Supermarktkette Edeka.[18] Auch die Stadt Hannover, die einer der größten Büromieter sei, habe zuletzt konstruktiv mit den Investoren verhandelt. Im Sommer 2015 war von der Stadt gefordert worden, dass „möglichst bis Ende des Jahres 2015“[18] Mietverträge unterschriftenreif sein sollten. Ende Januar 2016 berichtete die Tagespresse darüber, dass 250 Angestellte der Stadt vom Ihme-Zentrum in das ehemalige Bürogebäude der Sparkasse am Aegidientorplatz 1 wechseln sollen.[19] Es handele sich um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gebäudemanagements. Die freiwerdenden Büroräume würden anschließend von anderen Fachbereichen übernommen: denen für Jugend und Familie sowie für Senioren.[19]
Im Dezember 2015 erklärte das niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege, das Ihme-Zentrum werde nicht zum Baudenkmal erhoben.[20] Pläne dazu hatte im Juni 2015 die Grünen-Ratsfrau Elisabeth Clausen-Muradian formuliert. Nach Angaben der Denkmalpfleger sei der architektonische „Gesamtzusammenhang […] durch die Herausnahme quasi des gesamten Geschäftsbereichs zerstört“, auch habe es zu viele Umgestaltungen der Passagen im Innern gegeben.


Quelle: Wikipedia